Einleitung
Es gibt so viele Dinge im Leben, welche wir für unfassbar halten. Dennoch sind sie geschehen.
Der kleine, aber feine Unterschied, inwieweit sich jeder einzelne von uns auf derartige Ereignisse einlässt, öffnet oder verschliesst ihm eine Pforte. Wohin ihn diese führt, ist immer ungewiss.
Aber ist es nicht diese Ungewissheit, welche uns vorantreibt oder anregt, weiter zu forschen? Forschen im Sinne von Bewusstmachung allen Seins? Wollen wir Menschen nicht in Erfahrung bringen, wer wir wirklich sind?
Es gibt so viele Fragen und offene Antworten, die jeden Einzelnen von uns berühren und beschäftigen. So lade ich Dich ein, liebe Leserin, lieber Leser, mit mir gemeinsam nach diesen Antworten zu suchen. Vielleicht gelingt es dem einen oder der anderen, Verbindungen in sein eigenes Leben zu knüpfen.
Jedoch liegt es mir fern, Dich mit meinem Geschriebenen aufzufordern, Dein gesamtes Leben auf den Kopf oder gar infrage zu stellen.
Ganz im Gegenteil. Es ist heute bedeutsamer denn je, dass jeder von uns eine ganz persönliche Mystik in seinem eigenen Alltag findet, sie erkennt und bewusst erfährt.
Was jedem einzelnen Menschen dabei sehr wichtig sein sollte, sind ein offenes Herz, Aufrichtigkeit und eine ehrlich gemeinte Nächstenliebe.
Eure Lea
[...]
Der alte Stollen
Vieles hatte sich in den letzten Jahren ereignet und meinem Leben zahlreiche Veränderungen gebracht. Es muss 2018 gewesen sein, als in diesem Sommer seit Tagen glühende Hitze herrschte. Wochenlang zeigte sich kein einziges Wölkchen am Himmel. Den letzten Regen gab es vor fast einem Monat. Jeder Grashalm schien unter den Füssen vor Trockenheit zu zerbrechen. Eine sommerliche Dürre hatte sich über unser schönes Thoringer Land gelegt.
Der Tag war noch recht jung. Gemeinsam mit meiner Familie sass ich auf der Terrasse am Gasthaus. Der Tisch war gedeckt, und wir liessen uns das Frühstück schmecken. Das Frühstück ist die einzige Mahlzeit des Tages, die wir gemeinsam zu uns nehmen und vor allen Dingen in Ruhe miteinander verbringen können. Die beiden Hunde Thor und Merlin tollten übermütig durch den Garten. Den Rest des Tages mussten sie wieder darauf warten, bis jemand aus der Familie für sie die Zeit zum Gassi gehen finden würde.
Meine Tasse war noch halb voll Kaffee, als unsere Tochter mit ihrem Freund dazu überging, den bevorstehenden Geschäftstag zu besprechen. Sie beratschlagten darüber, welcher Kuchen gebacken, welches Tagesgericht gekocht und welcher Wein dazu empfohlen werden sollte. Ich lehnte mich zurück und freute mich darüber, mich nicht mehr in diese Diskussionen einmischen zu müssen. Zwischendurch fragte mich meine Tochter, was ich für den Tag geplant hatte und was ich unternehmen wollte. Ich konnte ihr keine eindeutige Antwort geben.
Seit Tagen trug ich mich mit dem Gedanken, zum alten Stollen zu wandern, wo ich vor einigen Wochen Reste einer alten Lore entdeckt hatte. Diese lagen hinter allerlei Blattwerk und herunter gebrochenen Ästen verborgen. Die Erinnerungen daran zogen mich gelegentlich in ihren Bann. Dies war ebenfalls ein Grund dafür, weshalb ich mich seit ein paar Tagen wieder damit beschäftigte. Instinktiv spürte ich in mir eine Verbindung zu diesem Ort. Irgendetwas von dort zog mich magisch an. Ich wollte unbedingt herausfinden, woran das lag.
Kurzerhand fasste ich den Entschluss, mich dieser Herausforderung zu stellen. Meiner Tochter gab ich einige Informationen, damit die Familie Bescheid wusste, wo sie mich im Notfall finden würde. Ich ging in unsere Wohnung und packte ein paar Dinge zusammen, von denen ich glaubte, sie unbedingt dabei haben zu müssen. Taschenlampe, Fotoapparat und andere Kleinigkeiten wanderten in meinen Rucksack. Das Handy liess ich zu Hause auf dem Schreibtisch liegen. Es war allgemein bekannt, dass es dort am alten Stollen kein Funknetz gab. Mir war das sowieso ganz recht. Nicht überall wollte ich diesen mittlerweile sehr intensiven Strahlungen ausgesetzt sein.
Gesagt, getan! Ich musste nur noch in die Wanderschuhe schlüpfen, dann konnte es losgehen. Mittlerweile standen die Zeiger der Uhr auf kurz vor elf, die Sonne hoch oben am Himmel. Das Thermometer zeigte mehr als dreissig Grad Celsius. Was für eine Hitze. Bis Mittag könnte es noch heisser werden. Das sollte mich nicht stören und auch nicht davon abhalten, an den alten Stollen zu wandern. Ich entschied mich dazu, den längeren Weg zu laufen, da dieser durch den Hochwald führte, der mir auf dem grössten Teil des Weges Schatten spenden würde.
[...]