Einleitung
Seit etwa dreißig Jahren stoße ich immer wieder auf die Themen Äonen und Archonten, wobei sie oft miteinander verknüpft werden. Was sind Äonen? Was sind Archonten?
Viel Verwirrung herrscht zu diesen Themen – vor allem zu den Archonten. Diese Verwirrung entsteht, weil man sich meist nur eine Seite, und zwar eine abgespaltene Seite, einer vorher ganzheitlichen Kraft anschaut.
Äonen
In der Gnosis werden die unterschiedlichen Ausstrahlungen Gottes als Äonen bezeichnet. Alle Äonen zusammen bilden das Pleroma – die Fülle der rein geistigen Wesenheiten.
Im Buch „Wandel“ der Thalus von Athos-Reihe werden Äonen folgendermaßen beschrieben:
„Äonen sind Qualitäten, Dimensionen deren Zugänge. Anders herum: Über die Dimensionen können wir die kosmischen Qualitäten erfassen. Beide Faktoren sind miteinander verbunden und durchdringen sich.“
Wir sprechen oft von Zeitaltern, wenn wir Äonen meinen. Doch mit der linearen Zeit haben Äonen nichts zu tun. Es geht bei den Äonen immer um Qualitäten. Heute spricht man viel vom kommenden Wassermann-Zeitalter, und genau damit ist ein Äon gemeint – nicht der Zeitraum, der dahintersteht ist damit gemeint, sondern die Qualität der Energie „Wassermann“.
Rudolf Steiner schrieb dazu in „Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte“:
Die Gnostiker sprachen von „Mächten, welche sich an der Entwicklung unseres Daseins beteiligen, die nacheinander in diese Entwicklung unseres Daseins eingreifen, und man nannte diese Mächte, diese Wesenheiten Äonen. […] Mit diesen Äonen sind nicht Zeiträume gemeint, sondern Wesenheiten. Damit ist gemeint, dass ein erster Äon wirkt und das, was er zu wirken vermag, auswirkt, dann von einem zweiten abgelöst wird und dieser, nachdem er mit seinen Kräften gewirkt hat, wiederum abgelöst wird von einem dritten und so weiter. Solche Entwicklungen […] meinten die Gnostiker, wenn sie von Äonen sprachen. Erst sehr spät ist der rein abstrakte Zeitbegriff mit dem verbunden worden, was das Wort Äon ursprünglich bedeutete. Äon ist etwas Wesenhaftes, etwas lebendig Wesenhaftes!“
Archonten
Was sind Archonten?
Die Darstellungen dazu sind sehr vielfältig und oft relativ einseitig – so empfinde ich es jedenfalls – ausgesprochen widersprüchlich. Generell werden sie als der Ausbund des Bösen angesehen. Doch was ist ein Archont wirklich? Schauen wir uns einmal an, woher die Bezeichnung Archont kommt:
Archon oder Archē (altgriechisch ἀρχή für ‚Anfang, Prinzip, Ursprung') ist in der antiken Philosophie ein Begriff, der Grund und das Prinzip des Seienden oder Erkennens ...
Nach C. G. Jung ist ein Arche-typ (Archont) eines der ererbten, im kollektiven Unbewussten bereitliegenden, urtümlichen Bilder, die Gestaltungen [vor]menschlicher Grunderfahrungen sind und zusammen die genetische Grundlage der Persönlichkeitsstruktur repräsentieren.
Jetzt könnte man sagen, dass Archont und Archetyp nicht das Gleiche seien. Doch die Namensgleichheit und auch die Darstellungen der antiken Philosophie lassen eher darauf schließen, dass mit beiden Bezeichnungen das Gleiche gemeint ist.
Das Wort Archont für die Ursprungswesenheit gab es schon sehr lange vor der Bezeichnung Archetyp. Diese Bezeichnung hat C. G. Jung verwendet, und sie wurde danach von der Psychologie übernommen. Doch die heutige Psychologie versteht darunter wieder etwas anderes als C. G. Jung.
In der griechischen Antike wurde der Begriff Archonten eine Zeit lang auch für die weltlichen Herrschenden benutzt, was aber nicht der ursprünglichen Bedeutung entspricht.
Die Nag-Hammadi-Übersetzungen stellen die Archonten zuerst einmal ganz neutral als „Mächte“ dar.
Doch wenn all diese alten Schriften die Archontenkräfte als ursprünglich neutral darstellen, warum werden Archonten in der esoterischen Literatur in der Regel als etwas Böses dargestellt? Um das zu beleuchten, müssen wir tiefer in die Materie eindringen.